Interview mit Marc Furrer, Präsident der ComCom
Erschienen im Schweizerischen Hauseigentümer vom 1. September 2009, Ausgabe Nr. 15.
Erschienen im Schweizerischen Hauseigentümer vom 1. September 2009, Ausgabe Nr. 15.
Herr Furrer, welche Vorteile sind mit einer Glasfasererschliessung verbunden?
Das Glasfasernetz bis in die Haushalte bringt viel mehr Bandbreite. Das heisst man kann auch grosse Datenmengen sehr schnell transportieren; das Warten beim Herunterladen ist dann vorbei. Dies wird sowohl im privaten als natürlich auch im geschäftlichen Bereich sehr wichtig sein, da immer mehr Anwendungen immer mehr Bandbreite benötigen. Für den Hauseigentümer bedeutet das: Investitionen in FTTH steigern die Attraktivität und damit den Wert eines Gebäudes.
Habe ich mit einer solchen Glasfasererschliessung also eine schnellere Datenübermittlung bzw. funktioniert mein Telefon, Computer oder Fernseher damit besser?
Die Glasfaser beseitigt einen "Flaschenhals" bei der Datenübertragung. Neben Qualitätsverbesserungen eröffnet das aber vor allem viele neue Möglichkeiten. Nehmen wir zum Beispiel die sich schnell entwickelnde Unterhaltungstechnologie: Wenn das hochauflösende Fernsehen (HDTV) mit seiner hervorragenden Bildqualität in die gute Stube flimmern soll und gleichzeitig weitere Familienmitglieder Videostreaming oder andere Anwendungen mit grossem Bandbreitenbedarf nutzen, dann reicht das alte Telefonkabel bald nicht mehr aus. Auch in der Geschäftswelt werden viele Innovationen dank Glasfasern möglich (grossformatige Video-Konferenzen, Telepresence, medizinische Fernoperationen usw.).
Muss ich nun, um wirklich von dieser Technik profitieren zu können, neue elektronische Geräte kaufen?
Bisherige Geräte müssen nicht grundsätzlich ausgewechselt werden. Dort wo das optische Netz bei der Wohnung endet, muss der Netzbetreiber anstelle des heutigen ADSL-Modems ein neues Anschlussgerät installieren.
Aber schon Lessing hat gesagt: „Niemand muss müssen“. Man muss keinen schnellen Zugang beziehen und kann seinen bisherigen PC weiter brauchen. Wer aber beispielsweise hochauflösendes Fernsehen erleben will, der braucht natürlich ein entsprechendes Gerät.
Was muss ich mir unter einer Glasfaserleitung vorstellen?
Eine Glasfaser ist ein hauchdünner Lichtwellenleiter aus Glas, durch welchen mittels Lichtimpulse Daten transportiert werden. Je nach Anwendungszweck werden mehrere solche Glasfasern – mit einer Schutzschicht umhüllt – zu einem Glasfaserkabel verarbeitet.
Es wird immer wieder von der Erschliessung der Gebäude gesprochen. Was ist damit genau gemeint, von wo bis wo?
Die Erschliessung mit Glasfasern ausserhalb der Gebäude bedeutet, dass die Anbindung des Gebäudes an die Ortszentrale der Swisscom, die Trafostation des EW oder die vergleichbare Stelle im CATV-Netz mit Glasfasern gemacht wird. In einem Mehrfamilienhaus führt dann ein weiteres Glasfaserkabel vom Hausanschlusskasten, der meist im Keller steht, in jede Wohnung. Das Glasfasernetz endet also – wie heute das Telefon- oder Kabel-TV-Netz – bei der Steckdose in der Wohnung. Die allfällige weitere wohnungsinterne Verkabelung ist Sache des Hauseigentümers oder des Mieters und hängt von den vorhandenen Geräten ab. Bei Neubau oder Renovation eines Gebäudes sollte man sich auch über eine Multimedia-Verkabelung in der Wohnung Gedanken machen.
Wer schliesst mir mein Gebäude ans Glaserfasernetz an? Wie muss ich vorgehen? Wer trägt die Kosten einer solchen Erschliessung?
Die Erschliessung von Gebäuden bis zum Hausanschlusskasten erfolgt durch einen Netzbetreiber auf dessen Kosten. Üblicherweise wird heute auch gleich die Hausverkabelung (bis zur Steckdose in der Wohnung) durch den Netzbetreiber realisiert. Wer die Kosten trägt, hängt von der Ausgestaltung der Anschlussverträge ab. Im Unterschied zum bisher Üblichen übernehmen die Netzbetreiber diese Investitionskosten zumindest teilweise.
Welche baulichen Massnahmen braucht es, um eine solche Erschliessung vor-zunehmen?
Die Netzbetreiber nutzen wo immer möglich ihre bestehende Kabelkanalisation für die Erschliessung der Gebäude mit Glasfasern; die Leitungen kommen also über bereits bestehende Wege in die Gebäude. Der Netzbetreiber muss die Kabelkanäle jedoch an bestimmten Stellen öffnen, um die Glasfaserkabel zu verlegen. Es müssen Schächte geöffnet werden und es kann zu Grabarbeiten auf der Strasse vor dem Haus oder eventuell auf dem Grundstück kommen. Glasfaserkabel werden auch im Gebäude möglichst durch bestehende Rohre in die Wohnungen gezogen. Da die Kabel keinen Strom leiten und auch nicht durch andere Leitungen gestört werden, können sie in die bestehenden Rohre der Telefonleitungen oder der Stromleitungen eingezogen werden.
Wenn ich mein Gebäude mit Glasfaserleitungen erschliesse, ist das dann eine langfristige Investition bzw. muss ich nicht befürchten, dass diese Technik bereits in wenigen Jahren wieder überholt ist?
Das ist in der Tat eine langfristige und sehr nachhaltige Investition. Durchaus zu vergleichen mit dem Kupferkabel, das ja auch während Jahrzehnten zuverlässig als Telecomleitung gedient hat – bis heute notabene. Die Glasfaser wird mittel- bis langfristig das Kupfer ablösen. Deshalb wird ein bestehendes Haus auch einen Mehrwert erfahren, wenn es zusätzlich mit Glasfaser erschlossen wird. Dem Eigentümer oder Mieter steht es frei, diese Technologie erst dann zu nutzen, wenn er entsprechende Breitbandangebote oder kombinierte Triple Play Angebote eines Anbieters in Anspruch nehmen will.
Wie sieht denn die Situation heute aus, sind bereits viele Gebäude mit Glaserfasernetzen erschlossen?
Der Ausbau steht erst ganz am Anfang, deshalb gibt es auch noch keine genauen Zahlen. Das EW Zürich hat etwa angekündigt, bis Ende 2009 gegen 18'000 Endkundinnen und kunden mit Glasfaser zu erschliessen. Swisscom spricht von 100'000 Haushalten in den grösseren Schweizer Städten bis Ende dieses Jahres.
Ist Ihrer persönlichen Ansicht nach die Erschliessung eines Gebäudes mit der Glasfasertechnik zukünftig ein ‚muss’?
Bei Neubauten und Totalsanierungen macht der Einbau von Glasfasern je nach Objektstandort schon heute Sinn – oder es muss zumindest durch Verlegen von Leerrohren ein Glasfaserausbau vorbereitet werden. Bei bestehenden Gebäuden muss man die Angebote anschauen: Wenn Sie in der Stadt ein Elektrizitätswerk haben, das Ihnen Glasfasern ins Haus ziehen will, dann wäre es unklug, nein zu sagen. Selbst wenn die Bewohner heute noch keinen Bedarf an den neuen Diensten haben. Wenn später einmal alle Dienste auf die neue Technologie umgestellt werden, wird ein Nachrüsten einzelner Gebäude und Wohnungen sehr teuer zu stehen kommen. Ebenso verhält es sich, wenn Swisscom mit einem Ausbauangebot zu Ihnen kommt. Glasfaser macht Ihr Gebäude fit für die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft.
Wenn ich eine solche Glasfaserleitung gezogen habe, kann ich dann von allen Netzanbietern Dienstleistungen beziehen oder bin ich an einen Netzanbieter gebunden? Muss jeder Netzanbieter eine eigene Leitung in mein Haus ziehen?
Das ist ein zentraler Punkt. Das Konzept des offenen Netzzuganges, das so genannte „Open Access“ fand am Runden Tisch breite Zustimmung. Die Betreiber, die selber ein Glasfasernetz bauen – davon gibt es nicht allzu viele –, stellen ihr Netz den anderen Dienstanbietern gegen eine Entschädigung zur Verfügung. Ähnlich wie verschiedene Dienstanbieter heute das ADSL-Netz der Swisscom benutzen, um Breitband-Internet anzubieten. Damit ist garantiert, dass auf Ebene der Dienstanbieter weiterhin Wettbewerb herrscht.
Noch mehr Wettbewerb und Innovation dürfte entstehen, wenn mehrere Netzbetreiber über eine eigene Glasfaser Dienste anbieten können. Ziel sollte es deshalb sein, dass entweder ein EW oder die Swisscom ein Haus gleich mit mehreren Fasern erschliesst, eine Faser für sich nutzt und die übrigen Fasern den anderen (zum Beispiel auch Kabelnetzbetreibern) zur Verfügung stellt. Damit erreichen wir einen Infrastrukturwettbewerb, ohne dass die Strassen mehrmals aufgerissen werden müssen.
Bin ich als Hauseigentümer verpflichtet, mein Haus mit einer Glasfaserleitung zu erschliessen?
Nein, jedenfalls nicht bei Gebäuden mit bestehender Erschliessung. Bei Neubauten, die erst erschlossen werden müssen, sieht es etwas anders aus. Als Grundversorgungskonzessionärin trifft die Swisscom hier eine Erschliessungspflicht. Will sie nun mit Glas erschliessen, könnte sie der Hauseigentümer nicht auf Kupfer zwingen. Und kommt das Glas bereits bis zum Haus, wäre es aus technischen und finanziellen Gründen unsinnig, im Haus selbst Kupfer zu verlegen.
Ist ein Hauseigentümer verpflichtet, die Wohnung mit Glasfasernetzen zu erschliessen, wenn ein Mieter dies wünscht?
Das Fernmeldegesetz gibt Mietern oder Pächtern das Recht, neben dem in der Grundversorgung vorgesehenen Anschluss, also üblicherweise dem Kupferkabel, andere Anschlüsse zu verlangen, sofern sie die Kosten übernehmen. Hauseigentümer haben diesbezüglich eine Duldungspflicht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Hauseigentümer wegen dieser Bestimmung in Zukunft unter einen gewissen Zugzwang geraten. Wenn ein Haus aber FTTH hat, dann hat es mehr zu bieten, und damit wächst sein Wert. Das sollten die Hauseigentümer nicht vergessen.
Fiber to the Home (FTTH)
In den letzten Jahren hat eine zunehmende Substituierung von analogen Datenübertragungstechniken durch digitale Anwendungen stattgefunden. In diesem Zusammenhang ist von ‚Fiber to the Home’ oder abgekürzt FTTH die Rede. Damit ist ein Fernmeldenetz gemeint, welches über Glasfasern direkt bis zum Endkonsumenten in jedes Mehr- oder Einfamilienhaus bzw. Geschäftshaus geführt wird. Bisher waren Häuser und Wohnungen von Privatpersonen auf dem letzten Teilstück des Netzes (letzte Meile) in der Regel nicht durch Glasfasernetze erschlossen, sondern über Kupferleitungen bzw. Koaxialkabel bei TV-Kabelnetzen. FTTH stellt damit diejenige Ausbaustufe des Glasfasernetzes dar, in der Glasfasern bis in die einzelnen Wohn- und Geschäftseinheiten gezogen werden.