Fibre to the Home: Was bedeutet die Einigung am Runden Tisch?

Interview mit Marc Furrer, Präsident der ComCom

Interview von Herrn M. Lüscher für das Swisscable Magazin, Ausgabe 4/2009  


Zurzeit dreht sich alles um Glasfasernetze, die bis in die Wohnungen geführt werden (FTTH = Fiber to the Home). Welche Rolle spielen dabei aus Ihrer Sicht die Kabelnetze?
Die Kabelnetze spielen heute und in Zukunft eine zentrale Rolle. Am Runden Tisch der ComCom sind deshalb auch mehrere Kabelnetzunternehmen dabei, die mehrheitlich auch dem Vorstand von Swisscable angehören. Glücklicherweise haben wir in der Schweiz vielerorts moderne, bidirektionale Kabelnetze, die für Infrastrukturwettbewerb sorgen und die viel beigetragen haben zur guten Breitbandversorgung in der Schweiz. Und das Aufrüsten der Kabelnetze mit DOCSIS 3.0 stimuliert diesen Wettbewerb nun noch zusätzlich.

Wenn man die Berichterstattung zu den Ergebnissen des Runden Tisches studiert, erhält man den Eindruck, dass die wesentlichen Hindernisse für ein flächendeckendes Glasfasernetz aus dem Weg geräumt sind. Stimmt dieser Eindruck? Gehört zur Einigung auch der Bereich der letzten Meile? Und hat man sich auch in der hausinternen Verkabelung geeinigt? Wie verbindlich sind die im Rahmen der Arbeitsgruppen erstellten Dokumente wie zum Beispiel die Inhouse Guidelines?
Effektiv ist der von uns moderierte Runde Tisch erfreulich weit gekommen: So hat sich die Industrie auf eine einheitliche Verkabelung innerhalb der Häuser verständigt, die nur einmal gebaut wird und von allen Netzbetreibern genutzt werden kann. Auf der letzten Meile und in den Gebäuden werden mehrere Glasfasern verlegt. Zudem soll es einen diskriminierungsfreien Zugang sowohl zur unbeleuchteten Glasfaser (Layer 1) als auch zur Transportebene des Netzes (Layer 2) geben. Da es sich um Einigungen unter den wichtigsten Marktteilnehmern handelt, gehe ich davon aus, dass die verabschiedeten technischen Richtlinien eingehalten werden, auch wenn diese keinen Verordnungs-Charakter haben.

FTTH-Netze ermöglichen zwar fast unbeschränkte Datenraten, sind aber auch sehr teuer. Was für Applikationen sehen Sie in den nächsten 10 Jahren, die diese hohen Investitionen rechtfertigen?
Die Investition in Glasfasernetze sind Investitionen in die Zukunft und in die Standortattraktivität der Schweiz. Glasfasernetze werden benötigt für Applikationen mit hohem Bandbreitenbedarf wie hochauflösendes Fernsehen (HDTV), Online-Games, Software Hosting im Internet, grossformatige Video-Konferenzen, Live-Zusammenarbeit über grosse Distanzen – immer neue Anwendungen werden immer mehr Bandbreite benötigen. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, wie der Höhenflug des Internets verläuft und was für Bandbreiten wir heute nutzen? Die Zukunft bleibt schwer abschätzbar und die Schweiz will den Zug nicht verpassen.

Zurzeit konzentrieren sich Projekte für den Bau von Glasfasernetzen auf grössere Städte. Was ist mit den ländlichen Gebieten?
Mehr als bei andern Technologien gibt es bereits heute auch ausserhalb der grösseren Städte erstaunlich viele Initiativen zum Bau von Glasfasernetzen (z.B. Oberwallis, Thurgau, Basel-Landschaft). Oft handelt es sich um Gemeinden – und auch um Kabelnetze –, die über gute Kabelkanalisationen verfügen und damit vergleichsweise kostengünstig ein Glasfasernetz aufbauen können. Die generelle Entwicklung haben wir bei ADSL oder Mobilfunk erlebt: Eine neue Technologie wird immer zuerst in den grossen Agglomerationen eingesetzt, dann verbreitet sich die Nachfrage und damit die Technologie in den ländlichen Raum – auch bei den Internetangeboten der Kabelnetze war das so.

Swisscom beansprucht exklusiv eine der vier Fasern des Glasfasernetzes für sich. Was wenn sich alle Anbieter auf diesen Standpunkt stellen?
Nicht alle Anbieter sind Netzbetreiber! Es ist wenig wahrscheinlich, dass mehr als zwei Netzbetreiber bei einem Endkunden gleichzeitig präsent sind. Über jede Faser können viele Anbieter ihre vielfältigen Dienste und Inhalte transportieren – auch solche aus der grossen weiten Internetwelt.

Das Vier-Fasern-Modell sieht vor, dass verschieden Anbieter die gleiche FTTH-Infrastruktur zu den gleichen Konditionen nutzen können. Wie können gleiche Konditionen (Preise) erreicht werden, wenn in jeder Stadt ein anderes Unternehmen zu unterschiedlichen Kosten baut?
Ein Netzbetreiber darf keinen Anbieter schlechter behandeln als eigene Geschäftseinheiten, Tochterfirmen oder andere Anbieter. Diese Gleichbehandlung aller Anbieter ist ein Grundprinzip des Fernmeldegesetzes. Dies bedeutet aber nicht unbedingt flächendeckend einheitliche Wiederverkaufspreise. Die Frage nach den Preisen ist ein hoch komplexes Thema, bei dem es noch keine definitiven Antworten gibt. Es ist somit offen, ob es national einheitliche oder unterschiedliche Preise geben wird. Dies hängt nicht zuletzt auch von der Entwicklung bei den Kabelnetzen ab.

Was tut der Regulator, um zu verhindern, dass Swisscom dank ihrer Marktmacht und ihrem Zugang zu exklusiven Inhalten marktbeherrschend wird?
Mit dem Runden Tisch wollen wir den Wettbewerb und die Wahlfreiheit der Kundinnen und Kunden erhalten. Vom Gesetz her hat der Regulator heute keine Möglichkeiten, beim Aufbau der Glasfasernetze einzugreifen; das wäre jetzt auch zu früh. Aber es ist nicht zu früh, darüber nachzudenken, welche Instrumente für den Fall eines Marktversagens zur Verfügung stehen sollten. Die ComCom ist hier klar für die Einführung einer technologieneutralen Zugangsregulierung.

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