Das Glasfasernetz kostet höchstens 20 Prozent mehr

Interview mit Marc Furrer, Präsident der ComCom

Das Interview wurde im Bund vom 09.11.2009 veröffentlicht.
Interview von Angela Barandun und Hans Galli


Herr Furrer, Sunrise-Chef Christoph Brand hat dieser Zeitung letzte Woche gesagt, die Einigung beim Glasfasernetz, die Sie mitverantworten, koste 2 bis 3 Milliarden Franken zuviel. Was sagen Sie dazu?
Lassen Sie mich zuerst eines sagen: Ich war positiv überrascht, dass wir so schnell zu einer Einigung gelangt sind, hinter der jetzt alle Beteiligten stehen können, auch Herr Brand. In den Grundsätzen sind sich alle einig. Mehr konnte nicht erreicht werden. Der Knackpunkt werden die Preise sein, die die Infrastrukturanbieter verlangen. Diese kann und will ich nicht festlegen. Aber diese Details werden erst später ein Thema. Wichtig war mir, dass wir in den Grundsätzen eine Einigung erzielen. Und das haben wir geschafft.

Die Einigung kam schneller, als Sie gedacht haben?
Ja, ich habe erwartet, dass einige der Beteiligten auf Zeit spielen werden. Dem war nicht so.

Was sagen zu den Mehrkosten von 2 bis 3 Milliarden Franken?
Ich war sehr erstaunt über diese Zahl. Da hat sich Christoph Brand um Faktor 2 oder 3 verschätzt. Wir haben das mit der Swisscom nachgerechnet. Ich glaube es ist einfacher, wenn wir nicht von Milliarden, sondern von Prozent sprechen. Herr Brand geht von Mehrkosten zwischen 30 und 50 Prozent aus, und das ist falsch. Es kostet höchsten 20 Prozent mehr.

Aber sogar in den Unterlagen der Swisscom ist von 30 Prozent die Rede.
Ich habe das jetzt nochmals nachgeprüft. Aktuell geht man von 20 Prozent der Gesamtkosten aus. Das ist deutlich weniger, als Herr Brand prognostiziert. Ohnehin finde ich seine Betrachtungsweise falsch.

Was meinen Sie damit?
Ich gehe nicht davon aus, dass die Kunden diese Mehrkosten für die Infrastruktur tragen müssen. Das Modell mit mehreren Fasern, auf das wir uns geeinigt haben, hat nicht nur höhere Kosten, sondern auch einen höheren volkswirtschaftlichen Nutzen. Es führt zu mehr Wettbewerb auf allen Ebenen, was wiederum tiefere Preise für die Kunden bedeutet. Ich glaube, dass sich diese beiden Effekte mindestens aufwiegen werden.

Warum führen mehr Fasern automatisch zu tieferen Preisen?
Wenn etwa das Stadtzürcher Elektrizitätswerk der einzige Anbieter von Glasfasern gewesen wäre, hätte es die Preise künstlich hoch halten und so eine Monopolrente kassieren können. Das geht jetzt nicht. Sind die Preise zu hoch, gehen die Anbieter einfach zur Konkurrenz, der Swisscom.

Das Mehrfasermodell ist nicht nur gut für den Wettbewerb, sondern auch für die Swisscom. Sie hat damit ihre Marktposition gesichert.
Dafür muss Swisscom kräftig investieren. Das Verdienst der Elektrizitätswerke ist es, die Swisscom in den Städten herausgefordert zu haben. Ihnen ist es zu verdanken, dass der Ausbau vorangetrieben wird. Daneben machen auch die Kabelnetzbetreiber Druck. In anderen europäischen Ländern ist das nicht der Fall, darum wird dort weniger in Glasfasernetze investiert.

Ist es falsch, die Swisscom als grosse Siegerin zu bezeichnen?
Die Swisscom hatte ein grosses Ziel: Sie wollte sich nicht von der Infrastruktur eines anderen abhängig machen und die Kontrolle über das Netz behalten. Was sie nicht wollte, ist ein Monopol. Denn dieses wäre sofort reguliert worden. Die Swisscom hat einiges erreicht, bei den Partnerschaften mit den EWs musste sie aber auch Federn lassen. Die alternativen Anbieter wie Colt, Sunrise oder VTX sind ebenfalls Gewinner, weil sie den Zugang zum Glasfasernetz bekommen, ohne selbst in den Ausbau investieren zu müssen.

Mit anderen Worten: Nur die Elektrizitätswerke sind Verlierer?
Für die Elektizitätswerke ist die Situation sicherlich am schwierigsten. Wir müssen dankbar sein, dass sie ihre Versorgerrolle so grosszügig interpretiert haben. Den meisten geht es nicht in erster Linie darum, mit dem Glasfasernetz einen kurzfristigen Gewinn zu machen. Den EWs bringen die Glasfasernetze zudem Synergien im Kerngeschäft – etwa bei der Steuerung des Stromnetzes – und eine bessere Nutzung ihrer bestehenden Kabelkanäle.

In Zürich etwa ist das anders. Muss man sich dort vom Gewinnziel verabschieden?
Nein, aber die Zürcher gehen sicher über die Bücher. Zürich bleibt jedoch auf Grund der dichten Besiedelung eine der attraktivsten Städte für ein Glasfasernetz. Hinzu kommt der Standortvorteil, den das Glasfasernetz bietet. Ob es sich für die EWs rein finanziell rechnet, wird man sehen. Es ist also kein Wunder, dass sie die Verhandlungen mit der Swisscom mit harten Bandagen führen.

In Basel, Bern und Zürich ringt man immer noch um eine Einigung.
Die Swisscom muss hier sicher noch einen Schritt auf die EWs zumachen, damit die Rechnung für beide aufgeht.

Trotz der Einigung fordern einige Beteiligte eine Regulierung der Glasfaser. Was halten Sie davon?
Ich bin nicht der Meinung, dass das Glasfasernetz in einer so frühen Phase reguliert werden soll. Wir brauchen einzig ein Instrument für den Fall, dass jemand eine marktbeherrschende Stellung aufbaut und diese missbraucht. Die Swisscom soll nicht dort, wo keine Konkurrenz herrscht, einen viel höheren Preis verlangen dürfen als z.B. in der Stadt.

Heute kann der Regulator nicht eingreifen. Also plädieren sie doch für eine Anpassung.
Natürlich. Im Moment können wir nur bei einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Kupferkabel eingreifen, also auf einer Technologie von früher. Das müssen wir korrigieren. Die Technologie darf keine Rolle spielen. Dafür habe ich schon vor Jahren plädiert.

Die Swisscom argumentiert, dass die Rechtsunsicherheit bei einer Änderung der Regulierung das grösste Problem sei.
Das habe ich nie verstanden. Es ist doch besser, wenn die Swisscom weiss, wie die Rahmenbedingung in Zukunft für die Investitionen aussehen. Wenn wir jetzt nichts machen, müssen wir vielleicht in ein paar Jahren die Spielregeln ändern. Kommt hinzu, dass das Parlament nicht dafür bekannt ist, Swisscom-feindliche Regulierungen durchzusetzen.

Müsste bei einer kommenden Anpassung des Fernmeldegesetzes nicht auch der Mobilfunkmarkt neu geordnet werden?
Der Mobilfunk ist ein Beispiel für einen Markt, der im Gesetz gut geregelt ist. Davon muss man die Finger lassen.

Was, wenn Sunrise und Orange ihre Netze zusammen legen wollen?
Dafür braucht es kein neues Gesetz. Dazu würden wir die Mobilfunklizenzen anpassen. Eine Gesetzesänderung bräuchte es nur bei einem Einheitsnetz, und da bin ich dagegen. Das hätte man 1998 machen könne, aber damals sprach sich das Parlament klar dagegen aus.

Der Mobilfunkmarkt ist doch ein klassisches Beispiel für einen Markt, der nicht funktioniert.
Die relativ hohen Preise im Vergleich mit Europa sind tatsächlich ein Problem. Die Konsumenten telefonieren heute mit dem Handy aber doch deutlich günstiger als noch vor 4-5 Jahren.

Ist es nicht die Aufgabe der Regulierung, dort einzugreifen, wo der Markt nicht spielt?
Das Problem ist auch, dass wir einen Wettbewerb zwischen einem Schwergewicht – Swisscom mit 60% Marktanteil – und zwei kleineren Netzbetreibern mit nur je 20% haben. Aber ich kann der Swisscom nicht einfach Marktanteile wegnehmen.

Ein düsteres Szenario! Müssen die Kunden bis in alle Ewigkeit zuviel für ihre Handyrechnung zahlen?
Ich gehe davon aus, dass die technische Entwicklung schon bald für eine neue Dynamik sorgen wird. In Zukunft wird man Skype und andere Gratis-Telefonieangebote auch mit dem Handy nutzen können. Wir werden die Einführung solcher Angebote und neuer Technologien nach Kräften unterstützen. Rein regulatorisch gibt es aber leider kein Kaninchen, das ich aus dem Hut zaubern könnte.

Noch eine letzte Frage im Zusammenhang mit dem Bau von Glasfeasernetzen: Wer soll die Kosten übernehmen, die für die Hausverkabelung anfallen?
Einige Elektrizitätswerke und die Swisscom weigern sich, diese Kosten zu übernehmen. Das kann man machen. Aber wenn der Hauseigentümer das selbst bezahlen muss, dann muss er sich unter Umständen entscheiden: Will er Glasfasern ziehen, die Fassade streichen oder den Lift erneuern? Die Glasfaser wird heute noch kaum Priorität geniessen. Wenn man will, dass die Häuser schnell erschlossen werden, dann müssen die EWs und Swisscom die Kosten vom Keller in die einzelnen Wohnungen übernehmen.

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